Persönlicher Bericht

von Marco Krings, im Juni 2006

„Flying Blind“ – Fallschirmspringen für Blinde

„Flying Blind“ ist eine niederländische Initiative einer Gruppe passionierter Fallschirmspringer zusammen mit der Nederlandse Vereniging van Blinden en Slechtzienden (NVBS). Beim Flying Blind 2006, welches vom 9. Juni bis 11. Juni 2006 in Seedorf (bei Zeven) statt fand, hatten 16 blinde und sehbehinderte junge Menschen die Möglichkeit, einmal einen Tandemsprung mitzuerleben. Sowohl aus den Niederlanden, als auch aus Deutschland kamen die einzelnen Wagemutigen.

Der Anfang

Ende April hatte ich in der Mailingliste „DBSV-Jugend“ von diesem Projekt gelesen. Ziemlich spontan, ich glaube keine 5 Minuten später, habe ich geantwortet und mich beworben. Acht Teilnehmer konnten mitmachen, eine große Chance rechnete ich mir also nicht aus. Da ich Anfang Mai ziemlich im Prüfungsstress war, habe ich auch gar nicht mehr an an die Aktion gedacht, als Ende Mai ich per Mail die Anfrage erhielt, ob ich noch interessiert sei. Meine positive Rückmeldung folgte ein paar Tage später, da ich wegen meines Projektes ÖPNV-Info ein paar Tage unterwegs war.

Ich konnte es erst nicht fassen, ich war dabei! Einmal Fallschirmspringen! Der 9. Juni konnte kommen und das mit großer Vorfreude! Was würde mich erwarten? 6 weitere deutsche Teilnehmer aus Nordrhein-Westfalen sollten ebenfalls nach Seedorf kommen. Drei Teilnehmer waren mir namentlich aus diversen Mailinglisten bekannt, so dass ich schon sehr gespannt auf die anderen war.

Es geht los

Da ich Freitagvormittag noch arbeiten musste, reiste ich etwas später als die anderen Teilnehmer aus Deutschland an. Die Wettervorhersage für dieses Wochenende war viel versprechend, es sollten 25°C mit viel Sonne werden. Die 170 Kilometer lange Bahnfahrt verlief pünktlich, die Busfahrer der Busse von Bremen nach Zeven und von Zeven nach Seedorf waren sehr freundlich und hilfsbereit die richtige Ausstiegshaltestelle mir zu sagen. Nachdem ich den Flugplatz dann auch gefunden hatte, stellen wir uns gegenseitig erst einmal vor. Die anderen deutschen Teilnehmer waren Claudia, Andreas, Arne, Henning, Christian und Darius. Am Flugplatz schauten wir uns noch einige Fallschirmsprünge an, was unsere Vorfreude für den Samstag nur steigerte. Danach gingen wir mit einigen Springern und ein paar Niederländischen Organisatoren zum Clubheim, wo wir erstmal Pizza bestellten. Nebenbei wurde noch im Weltempfänger von Darius das Eröffnungsspiel der Fußball-WM Deutschland gegen Costa Rica (Endstand 4:2) gelauscht.

Da die niederländischen Teilnehmer wegen den vielen Staus erst gegen Mitternacht erwartet wurden, machten wir es uns bei einem Bier im Clubheim gemütlich. Andreas, Claudia und Christian verabschiedeten sich jedoch bereits vorzeitig und fuhren zur Kaserne. In der Kaserne, die direkt am Flugplatz liegt, haben wir für das Wochenende übernachtet.
Nach der Ankunft der Niederländer begrüßten wir uns alle Gegenseitig und schon fanden die ersten Gespräche statt, je nachdem entweder auf deutsch oder in englisch. Da es am Samstag bereits um halb 8 los gehen sollte, gingen wir auch gegen 1 Uhr zu Bett, ich glaube es wäre sonst noch eine lange Nacht geworden. Obwohl wir eigentlich jeder ein 2-Bett-Zimmer zur Verfügung hatten, zogen wir alle es vor Zusammen ein Zimmer zu belegen. Ich teilte daher mit Henning ein Zimmer.

Der Tag der Wahrheit

Um halb acht am Samstagmorgen ging es von der Kaserne mit Bullis zum Flugplatz. Im Clubheim der Fallschirmspringer gab es erstmal ein Frühstück. Anschließend wurden wir in zwei Gruppen aufgeteilt, da einerseits nicht alle gleichzeitig springen konnten und andererseits es noch einen weiteren Programmhighlight gab: ein Flug mit einem Motorsegler.

Ich hatte das Glück, zu der Gruppe der Tandemspringer zu gehören. Henning und ich motivierten uns nicht nur den ganzen Morgen durch unsere Vorfreude, sondern hatten auch das Glück gemeinsam einer der ersten Tandemspringer zu sein. Bei jedem Flug wurden immer zwei Tandemspringer mit je einem Kameramann befördert. (Laut den Flugpiloten ist das Beförderung und kein Fliegen!)

Die Vorbereitungen

Da Henning etwas früher vorbereitet wurde, sprach mich das Kamerateam von SAT.1 an, ob sie mich bei den Vorbereitungen und beim Flug begleiten dürften. TV-Erfahrungen hatte ich ja bereits, siehe Eine außergewöhnliche Reise von Nothburga Bänder, also sagte ich zu.
Mein Tandemmaster war Rob, er springt seit 1984 Fallschirm. Die Vorbereitungen wurden vom Tandemmaster gründlich durchgeführt. Zuerst musste ich ein Overall anziehen (und das bei Temperaturen um 25°C). Anschließend musste ich in das Tandemgeschirr steigen, welches dann mit dem Overall verbunden wurde und festgezurrt wurde. Nach dem Anziehen wurde mir erklärt wie der Sprung abläuft, zudem wurde mir gezeigt wie ich mich beim Sprung zu verhalten habe. Eine Bodenübung rundete die Einweisungen ab. Die Offenheit und Ruhe der Beteiligten führten dazu, dass kein Teilnehmer sich Sorgen um seine Sicherheit haben muss. Der sehbehinderten Person wurde den Aufbau eines Fallschirmes und die Sicherheitsvorrichtungen, z.B. das automatische auslösen des Schirmes ab einer bestimmten Höhe, detailliert erklärt. Natürlich hat das SAT.1-Filmteam alles mitgefilmt.

Es geht los…

Nach einem kurzen Interview ging es nun auch für mich los, vielmehr für Henning uns seinem Tandemmaster, meine Wenigkeit mit meinem Tandemmaster und unseren zwei Filmspringern. Schließlich sollte unser Sprung auch mitgefilmt werden. Im Flugzeug stieg unsere Vorfreude, Anspannung und Aufregung weiter an. Es herrschte eine super Atmosphäre im engen Flugzeug. Eng war es, schließlich wurden 6 Erwachsene gleichzeitig befördert.
Nachdem Start der Cessna 206 T hob erreichte sie langsam eine Höhe von 10.000 Fuss (ca. 3000 Meter). Im Flugzeug wurde ich nun fest mit Rob verbunden und nochmals alles überprüft und festgezurrt. Vor dem Sprung wurde abgeklatscht und ich durfte als erster raus. Also, langsam zum Seitenausgang, hinsetzen und Beine unter das Flugzeug. Mein Kameramann Peter stellte sich währenddessen nach draußen und hielt sich am Flugzeug fest. Nach der obligatorischen Frage, ob ich bereit sei, ging es los.

3000 Meter über der Erde! Sowohl Peter als auch wir sprangen nun in die Weiten des Himmels. Ein Bremsfallschirm verhinderte, dass wir beim freien Fall schneller als 200 km/h erreichen würden, damit Peter uns noch filmen konnte. Der freie Fall lässt sich kaum in Worte fassen. Wir fielen ca. 1800 Meter in Bauchlage in Richtung Erde. Mein Rücken bildete ein Hohlkreuz, meine Hände fassten zuerst das Gurtzeug im Brustbereich an und meine Beine waren nach hinten angewinkelt. Ich selbst war etwas angespannt um bei der Körperhaltung alles Richtig zu machen, während Peter den freien Fall filmte. Das war dennoch ein super Gefühl, sehen konnte ich nicht viel.

Als dann bei einer Höhe von ca. 1200 Metern sich der Fallschirm öffnete, wurden wir regelrecht nach hinten geworfen um nun senkrecht am Schirm zu hängen. Wow, war das noch mal ein Adrenalinschub. Im Gleitflug konnte ich selbst den Schirm ein wenig steuern. Rob und ich konnten uns in luftiger Höhe ein wenig unterhalten. Herrliche Aussicht von dort oben! Der Gleitflug war einfach entspannend nach der ganzen Anspannung und dem Adrenalinschub. Zur Landung musste ich meine Beine anheben, da wir eine Sitzlandung machten. Da die Landezone gut mit Wiese bedeckt war, wurde es auch eine leichte und sanfte Landung. Sofort stürmten Peter und auch das SAT.1-Team auf mich, um meine Eindrücke auf Video festzuhalten. Am Boden war ich so glücklich, nicht weil ich wieder Boden unter den Füssen hatte, sondern weil es eben einfach nur spitze war!

Zurück am Hangar stürzten sich gleich alle auf mich und Henning, der kurze Zeit später als ich gelandet ist. Wir waren uns sofort einig, dass wir irgendwann einmal einen Tandemsprung wiederholen müssen.

Nachdem auch Christian und Darek gesprungen waren, ging es für Claudia los. Obwohl Sie etwas Angst hatte, wollte auch sie den Sprung wagen. Leider wurde ihr im Sprung etwas übel, dennoch hatte auch sie am Ende ein lächeln im Gesicht.

Danach ging es für uns ab zum Mittagessen, es gab Gulaschsuppe und Würstchen im Brötchen. Auf jeden Fall hat es sehr gut Geschmeckt. Dabei stellten wir fest, dass wir alle uns ganz gut einen Sonnenbrand geholt hatten.

Einmal fliegen

Vor dem Start wurde uns der Aufbau des Flugzeuges erklärt. Die Piloten waren sehr freundlich und erklärten auch im Flug viele Dinge. Nachdem ich neben dem Piloten Platz genommen hatte, ging es auch für mich los. Mein erster Flug mit einem Flugzeug überhaupt, wenn man von den 5 Minuten am Morgen absieht.
Nachdem mir der Pilot die Steuerung erklärt hatte, durfte ich selbst einmal das Steuer in der Hand halten und somit eine Viertelstunde selber fliegen. Die Aussicht war wieder einmal spitze. Leider war die halbe Stunde schneller rum, als man dachte. Dennoch ein schönes Erlebnis.

Barbecue und Party

Nach diesem erlebnisreichen Tag, wurde der Tag bei einem Barbecue und einer anschließenden Party beendet. Vom Grillen habe ich leider etwas wenig mitbekommen, da mich ein Sonnenstich (Wozu gibt es Mützen?) plagte, der jedoch dank kalter Umschläge schnell in den Griff zu bekommen war.
Dafür war de Party mit Musik von DJ Leon umso besser. Nachdem Christian bereits abgereist war und Arne, Andreas und Darek gegen 22 Uhr bereits das Feld verließen, blieben nur noch Henning, Claudia und meine Wenigkeit von der deutschen „Fraktion“ übrig. Dennoch hatten wir Spaß und tanzten lange mit den Niederländern. So brachten ein paar Limbo-Einlagen die Stimmung zum Kochen. Einige Tanzfaule, schauten sich bereits die ersten Videos der Fallschirmsprünge an. Da man ja nicht nur Tanzen konnte, unterhielten wir uns mit einigen Niederländerinnen, meistens auf Englisch. So feierten wir bis um 2 Uhr in der Nacht. Aber Henning und ich fanden erst um 3 Uhr die Nachtruhe.

Abreise

Der Sonntag begann für uns erst um halb 10, die Niederländische Garnison hatte zum üppigen Frühstück im Kasernenrestaurant geladen. Nach dem guten und reichhaltigen Frühstück, wurden wir nach Zeven zum Busbahnhof gefahren, da sonntags keine Busse fuhren. Die Wartezeit bis zur Abfahrt des Busses nach Bremen überbrückten wir mit Gesprächen. In Bremen entschlossen wir uns noch, ein Eis essen zu gehen, bevor mit dem ICE Richtung Ruhgebiet fuhren. Obwohl wir keine Reservierungen für den Zug hatten, fanden wir in zwei Abteilen noch Sitzplätze. In Münster verließ ich die Gruppe, auch wenn der Abschied nach solch einem Wochenende sehr schwer war. Ich brachte Andreas noch schnell zu seinem Anschlusszug, da unser ICE ein wenig Verspätung hatte. Anschließend fuhr ich auch mit dem Zug in Richtung Heimat.

Fazit

Dieses Wochenende hat mir gezeigt, dass man schnell neue und nette Leute kennen lernen kann. Aber auch das Sprache keine Barriere ist, sondern die verschiedenen Sprachen die Gemeinschaft stärken. Ich bin nicht wirklich der, der sich als Sprachgenie bezeichnet, aber wenn man eine Zeit lang sich auf Englisch unterhält, wird auch das Verständnis und die eigene Aussprache besser. So war es für mich am Ende selbstverständlich Englisch zu sprechen. Auch der Tandemsprung war für mich eine Erfahrung die man gemacht haben muss.

Danke

Danken möchte ich an dieser Stelle, dem gesamten Organisationsteam vom „Flying Blind“, es war einfach ein tolles Erlebnis und eine gute Erfahrung. Ich denke, ihr habt an dem Wochenende nicht nur ein paar Niederländer glücklich gemacht, sondern auch ein paar Deutsche. Die Organisation, die Unterkunft, die Verpflegung, der Fahrtdienst, das Programm und der Begleitservice waren einfach perfekt. DANKE!